DIE GESCHICHTE DER ÜBERLINGER TRACHT
Es begann mit einer jungen Frau namens Maria Schmid (d’Schuhschmidin)
Ihr hat als junges Schulermädle schon leid getan, dass die schöne Tracht, wenn überhaupt, dann nur an der Fasnet getragen wurde. Sonst sind die schönen Hauben in erster Linie auf dem Speicher in der Fasnetkiste gelandet.
Um 1850/60 war die Tracht das Sonntagskleid der Überlinger Bürgerinnen gewesen.
Als älteste überlieferte Darstellung gilt das Aquarelle des Erntedankfestzuges vom 24.8.1817 von Johann Sebastian Dürr. Es zeigt Überlinger Bürgerinnen mit kleinen becherartigen Hauben, die sich erst später , wie wir wissen , zu den weiter ausladenden , heute für den gesamten Bodenseeraum typischen Radhauben entwickelt haben.
Von Ihrer Großmutter wusste die Überlinger Urtrachtenmutter Maria Schmid, dass sie zu Ihrer Tracht verschiedene Schals getragen hatte, einen regenbogenfarbigen zur Prozession, einen schwarzen zur Beerdigung und einen weiteren zum sonntäglichen Kirchgang.
Später wurden Haube und seidenes Gewand außer zur Fasnet nur noch zu besonderen Anlässen, wie z.B. zur Eröffnungsfeier des Überlinger Heimatmuseums im Mai 1913 getragen.
Wenn es Frau Schmid und mit Ihr so manchem heimatverbundenen Bürger in der Stadt weh tat, dass die Tracht zum Fasnethäs degradiert wurde , hatte es doch auch sein Gutes, denn damit ist sie nicht ganz aus dem Stadtbild verschwunden.
Und es war sicher kein Zufall, dass 1863 zum 1. Mal die Narrenmutter eben diese Tracht trug ebenso wie andere Fasnachterinnen. Wie gesagt, das einzig Gute daran war, dass die Tracht in Erinnerung blieb und nicht auf dem Speicher verschwunden ist.
1924 wird die Geburtsstunde des Trachtenbundes Überlingen.
Die Münstereinweihung war die Gelegenheit , der Überlinger Tracht ihre althergebrachte Würde wieder zurückzugeben.
50 Überlinger Bürgerinnen konnte M. Schmid überzeugen, im Trachtenkleid die Einweihungsfeierlichkeiten würdig zu umrahmen und auch die Tracht nie wieder zur Fasnet, sondern als Festtagskleid zu den Prozessionen zu tragen.
Der geistliche Rat Adolf Schwarz und Bürgermeister Heinrich Emerich unterstützen M. Schmid in Ihrem Anliegen, das durchaus nicht bei allen Überlingern Anklang fand.
Um gegen solche Anfeindungen besser gewappnet zu sein, betrieb M. Schmid ab 1925 auch vehement die formelle Gründung eines eigenen Vereins.
Sie schrieb vom Krankenbett aus einen Brief an Bürgermeister Emerich. Darin heißt es:
Was mir so am Herzen liegt, ist die baldige Gründung des Trachtenvereins. Es ist der allgemeine Wunsch vieler Frauen, dass derselbe so bald als möglichst zustande kommt. Die Zeit der Fasnacht rückt näher und wie jedem bekannt ist, spielte die Alt-Überlinger -Tracht darin immer eine große Rolle. Sie soll ihre Rolle aber ausgespielt haben.
Die 1. Satzung erfolgt erst am 14.01.29 nach der offiziellen Vereinsgründung. Unterschrieben von Maria Schmid für die Vorstandschaft und von Victor Mezger sen. , dem ÜB Stadtarchivar als sogenanntem männlichen Beirat.
In der Satzung heißt es unter anderem:
„ Der Zweck des Bundes ist das Tragen der Überlinger- Frauentracht bei festlichen Anlässen , das Sammeln alter Trachtenstücke als Vorbilder für neu anzufertigende Teile , sowie der Erwerb von alten Trachtenbildern oder von Nachbildungen von solchen. Um die Bedeutung dieser Tracht als besonderes Fest- und Feierkleid zu wahren, verpflichten sich die Mitglieder, dieselbe bei der hiesigen Fasnacht nicht zu tragen.“
Daß so ein einflussreicher Bürger wie Victor Mezger sen. für das Wohl des Trachtenbundes eintrat und sogar selbst Mitglied wurde, hat die Entwicklung des Vereins in den folgenden Jahren sicher entscheidend gefördert.
1934 In der Zeit des Nationalsozialismus durften die Schwedenprozessionen trotzdem abgehalten werden, doch drohte der Überlinger Tracht nach der Machtergreifung erst mal das Aus. Es heißt, dass Frau Schmid 1934 vor die Kreisleitung geladen wurde , um ihr mitzuteilen, dass sämtliche Trachtenkleider , Hauben und Schals beschlagnahmt werden und nie wieder bei einer Prozession getragen werden sollten. Dies wollte die couragierte Trachtenmutter nicht hinnehmen , sie hat sich so kräftig zur Wehr gesetzt, dass der Kreisleiter schließlich einlenkte und das Tragen der Tracht wieder erlaubt war, aber nur unter der Bedingung, dass sich die Trachten nun auch in den Dienst der braunen Machthaber stellen.
1935 wurden die Statuten des Bundes neu festgelegt und in §5 wurde eingefügt:
Der Trachtenbund hat die Pflicht, am nationalsozialistischen Werke mit zuarbeiten und es haben sich deshalb sämtliche Mitglieder zur unbedingten Verfügung zu stellen.
Bei unzähligen Empfängen waren die Trachten zur Stelle, es gab auch eine Singgruppe, die häufig auftrat.
Nach dem Krieg am 11. Juli 1949 berief der amtierende Bürgermeister Schelle eine Mitgliederversammlung ins Rathaus ein. Dort ging es nicht nur um die Vorbereitung des großen Trachtenfestes im September, sondern vor allem um die Wiederbelebung des Vereins.
Ab 1966 – 1989 hat unser liebenswertes Frl. Birmelin die Macht übernommen.
Sie war eine kompetente Fachfrau in Sachen Verwaltung und Schriftverkehr.
Aber sie wachte streng darüber, dass das Tuch ordentlich gesteckt, nicht zuviel Schminke im Gesicht war und vor allen Dingen nicht in der Tracht geraucht wurde.
Obwohl sich der Verein mit K. Birmelin in ruhigem Fahrwasser bewegte, sorgte das Zweigespann K. Birmelin mit Ihrer Stellvertreterin M.Löhle für einen festen Zusammenhalt nach innen und mehrte nach außen das Ansehen des Vereins.
In den 2 Jahrzehnten Regentschaft von Frl. Birmelin haben immer wieder kehrende Fixpunkte den Jahresablauf markiert. Zum einen die Prozessionen und weitere alljährlichen Verpflichtungen , wie der jeden Sommer stattfindende Empfang der Gartenfreunde und dann 1970 die 1200 Jahrfeier, an deren Festumzug sich der Verein mit 3 Festwagen beteiligte.
Zu den Höhepunkten der Amtszeit von K. Birmelin zählt sicherlich das 50 jährige Bestehen des TB.
1980 wurde K. Birmelin für 56 Jahre Trachtenarbeit mit der goldenen Ehrennadel vom BHV geehrt und 1989 bei einem feierlichen Empfang im Rathaussaal zur Ehrentrachtenmutter ernannt.
AB 1989 lag nun das Geschick des Trachtenbunds in den Händen von G. Manok.
Ihre Mutter Maria Reuble gehörte zu den Gründungsmitgliedern und Ihre drei Töchter kamen so nach und nach unter die Goldhaube, sie selbst trat 1969 dem Trachtenbund bei.
Die frisch gebackene Trachtenmutter nahm von Anfang an ihr Amt engagiert war. Eine der 1. Amthandlungen war im Frühjahr 1989 die Eintragung im Vereinsregister beim Amtsgericht Überlingen. Die Satzung wurde aktualisiert, das Organ des männlichen Beirats wurde ersatzlos und endgültig gestrichen, die Trachten emanzipierten sich.
Und ebenso ist es Frau Manok’s Tatkraft zu verdanken, dass der Verein wieder aktiver wurde.
Auf ihre Initiative war der Vorstand auf eine Jugendleiterin erweitert worden, die Kinder- und Jugendarbeit wurde in Gang gebracht.
Ab 1997 unterrichtete Gertrud Manok alte und neue Mitglieder in der Kunst des Haubenfertigens. Dank der Haubenkurse und ihrer unermüdlichen Aktivität z.B. im Kinderkleiderverwalten ist der Verein auf eine stattliche Mitgliederzahl von ca 100 Erwachsenen und ca 50 Kinder und Jugendlichen angewachsen. Vom BHV erhielt sie dafür 1996 dafür die silberne Ehrennadel.
1999 feierte der Bund unter der Regie von G . Manok das 75 jährige Jubiläum.
Im Jahre 2001 gab Gertrud Manok die Leitung an Renate Lohr weiter. Zwischenzeitlich ist der Trachtenbund auf eine stattliche Anzahl von insgesamt 175 Trachtenträgerinnen angewachsen, davon sind ca. 50 Kinder und Jugendliche.
Heute sind wir in erster Linie bei den Schwedenprozessionen vertreten und hin und wieder auch bei Trachtenfesten oder Heimattagen.